Medienschaffende im Fadenkreuz der Mächtigen

Logo der Hannah-Arendt-Initiative und Botschaft "Schutz von Medienschaffenden und Medien aus Krisenregionen".Darum sind Hilfen für unabhängigen Journalismus so wichtig

In Zeiten anhaltender Kriege, zunehmender Repression und schrumpfender Freiräume stärkt die #HannahArendtInitiative weiter unabhängige Stimmen weltweit. Im 50. Todesjahr ihrer Namensgeberin bieten die Programme Schutz, setzen auf Vernetzung und eröffnen Perspektiven. Im Heimatland oder im Exil.

Global betrachtet, haben sich viele Räume für die Ausübung der Pressefreiheit sowie für andere Freiheiten geschlossen oder sind zumindest enger geworden. 2025, im Jahr des 50. Todestags Hannah Arendts sind die Themen, mit denen sich die US-amerikanische politische Theoretikerin und Publizistin auseinandergesetzt hat, wieder aktuell. Gleiches gilt für viele ihrer Gedanken zu Totalitarismus, Macht und Freiheit.

2025 ist die weltweite Lage der Pressefreiheit „auf einem historischen Tiefstand“ angelangt. Der jährlich von Reporter ohne Grenzen (RSF) erstellten Rangliste zufolge ist die Situation für Medienschaffende in 90 von 180 beobachteten Ländern „schwierig“ oder „sehr ernst“. Dafür macht die international tätige Organisation neben einem zunehmenden Autoritarismus steigenden ökonomischen Druck und eine fragile Sicherheitslage verantwortlich.

Tödliche Kriege und Konflikte

Zum einen wirken sich die zahlreichen Kriege und bewaffneten Konflikte auf die Sicherheit von Journalist*innen und Medienschaffenden aus (hier ist eine Übersicht). Die Zahl derer, die darin verletzt oder getötet wurden, ist 2025 weiter gestiegen. In einzelnen Fällen gehen Nichtregierungsorganisationen und Menschenrechtsexpert*innen sogar von gezielten Tötungen aus.

Die meisten Opfer zählt RSF im Gazastreifen, wo ein im Oktober vereinbarter Waffenstillstand den Krieg aktuell unterbrochen hat: Seit 2023 sollen dort mehr als 200 palästinensische Medienschaffende umgekommen sein, um die 50 davon im Zusammenhang mit ihrer Arbeit. In der Ukraine sind im nun fast vier Jahre andauernden russischen Angriffskrieg 14 Fälle getöteter Journalist*innen registriert worden (Stand: Oktober 2025). Im Sudan waren es Anfang des Jahres noch sieben. Die Zahl dürfte dort zuletzt noch gestiegen sein.

Weitere Gefahren und Herausforderungen

Die Situation für Journalist*innen und Medienschaffende ist aber nicht nur in Kriegs- und Konfliktgebieten gefährlich. Verschwindenlassen, Folter, Inhaftierung, Überwachung – all dies und mehr kann Journalist*innen drohen, wenn sie in autokratisch regierten Ländern frei berichten. Weltweit ist die Zahl der Autokratien gestiegen. 2025 hat sie jene demokratisch regierter Länder überholt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Erhebung des in Göteborg ansässigen V-Dem Instituts, das außerdem auf Autokratisierungstendenzen in 45 Ländern verweist.

Desinformation und Propaganda spielen autokratischen Machthabenden in die Hände. Unabhängige Berichterstattung hingegen wird zensiert und kriminalisiert. Darum sehen sich viele Journalist*innen und Medienhäuser gezwungen, autoritäre Staaten zu verlassen – dem JX Fund zufolge so viele wie nie zuvor.

Wer Journalistinnen und Journalisten einschüchtert oder mundtot macht, räumt den Weg frei für Willkür, Korruption und Machtmissbrauch.

Penelope Winterhager, langjährige Geschäftsführerin des an der Hannah-Arendt-Initiative beteiligten JX Fund.

(Quelle: Dies.: Die Axt an den Wurzeln der Demokratie. In: DerStandard.de, 01.10.2025)

Auch in demokratisch regierten Ländern sind Angriffe auf Medien und Medienvertreter*innen keine Seltenheit mehr. Allein für die erste Hälfte dieses Jahres dokumentiert der MFRR Monitoring Report 709 Verletzungen der Pressefreiheit in 36 EU-Mitgliedsstaaten mit Auswirkungen für mehr als 1.200 Journalist*innen und Medienhäuser. Die Bandbreite der Angriffe zeige, so die Analyse, dass Medienschaffende in Europa zunehmend in einer feindlichen Umgebung arbeiteten.

Einschneidende Folgen hatte zu Beginn des Jahres 2025 die Entscheidung der US-Regierung, ihre internationale Entwicklungshilfe im großen Stil einzuschränken. Davon betroffen ist auch der Bereich der Medienentwicklung. Der Wegfall von Finanzierungsmitteln schafft eine Förderlücke für unabhängige Medien. Weitere Auswirkungen könnten sich 2026 zeigen. Auch haben die USA die Budgets ihrer eigenen Auslandssender wie Voice of America oder Radio Liberty gekürzt.

Hannah Arendt – noch immer eine „zeitgemäße Denkerin“

Hannah Arendt auf einer Schwarzweiß-Fotografie mit Hut, um 1940.
Hannah Arendt um 1940 im Exil.

Die Publizistin und politische Theoretikerin wurde 1906 als Kind liberaler jüdischer Eltern in Hannover geboren. Aufgrund des sich ausbreitenden Nationalsozialismus und wachsenden Antisemitismus sah sie sich zweimal zur Flucht gezwungen. Im amerikanischen Exil avancierte sie zu einer der bekanntesten – wenngleich umstrittenen – Intellektuellen ihrer Zeit. Sie starb am 4. Dezember 1975 in New York.

Hannah Arendt ist auch heute noch eine zeitgemäße Denkerin.

Lyndsey Stonebridge, Literaturwissenschaftlerin und Autorin

(Quelle: Dies.: Hannah Arendt’s lessons for our times: The banality of evil, totalitarianism and statelessness. The British Academy, 23.08.2024)

Arendt hatte immer wieder betont, wie wichtig eigenständiges Denken ist. Lyndsey Stonebridge von der Universität von Birmingham sieht darin eine Aufgabe für unterschiedliche Institutionen. Sie müssten die Rahmenbedingungen schaffen, die eigenständiges Denken ermöglichen.

Wie die Hannah-Arendt-Initiative arbeitet

Räume für ungehindertes Denken und Arbeiten offen zu halten, ist ein Anliegen der Hannah-Arendt-Initiative. Sie wurde 2022 von der deutschen Bundesregierung ins Leben gerufen. Damit Journalist*innen und Medienschaffende unabhängig berichten können, erhalten sie Unterstützung bei der Weiterarbeit in einem Krisen- oder Konfliktland – oder, wenn es die Umstände erfordern, beim Neustart in einem sichereren Drittland. Exilmedien erhalten Hilfe beim Wiederaufbau ihrer Redaktionen.

Jüngste Hilfegesuche aus Ländern, in denen der Druck auf unabhängige Medien zugenommen hat, zeigen: die Nachfrage nach den unterschiedlichen Angeboten der Initiative steigt. Zu ihr gehören Programme der vier zivilgesellschaftlichen Organisationen: Media in Cooperation and Transition – MiCT, DW Akademie, European Centre for Press and Media Freedom (ECPMF) und JX Fund.

Aus der Programmarbeit 2025

MiCT: Fellowship for Critical Voices

Die schwierigen Umstände für Medienschaffende in vielen Ländern dieser Erde haben 2025 das Stipendienprogramm Fellowship for Critical Voices geprägt. Sie führten zu einem erhöhten Bedarf an Notfall- und Rechtsbeistand sowie an Traumaversorgung. Auch Umsiedlungswünsche gab es häufig.

Mit dem Stipendium wurden von der Gründung 2022 bis heute mehr als 1.000 Journalist*innen aus über 35 Ländern unterstützt – in ihren Heimatländern oder im Exil. MiCT betreibt mehrere regionale Hubs – etwa in der Ukraine und in Syrien – und bietet maßgeschneiderte Hilfen. Dazu zählen rechtliche Beratung, psychologische Betreuung und professionelle Weiterbildungsangebote. Ziel ist, die Existenz eines pluralistischen Journalismus dort zu sichern, wo er am stärksten bedroht ist.

Dass dies zum Beispiel in Afghanistan oder dem Gazastreifen gelingen kann, zeigen Reportagen und Berichte von Fellows, die im Original auf der Internetseite von MiCT abrufbar sind. Innerhalb des Programms haben Stipendiat*innen in diesem Jahr an einer länderübergreifenden Recherche zusammengearbeitet. Sie zeichnete Wege von Schrott aus syrischen, ukrainischen und libyschen Kriegsgebieten nach, der schließlich nach Europa verkauft wird.

Die Berichte von MiCT-Fellows dokumentieren mehr als nur Fakten. Diese und andere Beispiele – etwa aus der Region Darfur im Sudan über die Ausnutzung von Stammesstrukturen für eine militärische Rekrutierung oder aus Mali mit Enthüllungen zu militärischer Veruntreuung und aus Côte d’Ivoire zu Desinformation im Umfeld von Wahlen – sorgen für Transparenz, tragen zu Rechenschaft und Kontrolle bei und halten die öffentliche Debatte am Leben.

DW Akademie: Space for Freedom

Der Fokus des Projekts Space for Freedom der DW Akademie lag 2025 auf exilierten Journalist*innen in Osteuropa und in Mittelamerika. In der europäischen Projektlinie waren angesichts unsicherer Aufenthaltsstatus und restriktiver Visa-Regelungen individuelle Beratungen und rechtliche Begleitung besonders nachgefragt. Ein Schwerpunkt der Projektarbeit lag auf Community-Building: Netzwerktreffen und Peer-Exchange-Formate trugen dazu bei, die Isolation im Exil zu überwinden.

Produktionszuschüsse und eine direkte Projektförderung ermöglichten den ins Exil gegangenen russischen und belarusischen Medienschaffenden, ihre Berichterstattung fortzusetzen und trotz der US-amerikanischen Kürzungen im Journalismus aktiv zu bleiben. Durch die Zuschüsse entstanden mehrere investigative und grenzüberschreitende Kooperationen – darunter Partnerschaften zwischen exilierten und lokalen Medien.

Während die Freilassung von 14 inhaftierten belarusischen Journalist*innen in Osteuropa für Hoffnungen sorgte, brachte sie auch Herausforderungen mit sich: Wie kann die Reintegration der Freigelassenen bestmöglich gelingen und welche beruflichen Perspektiven können sich für sie ergeben? Die DW Akademie übernahm hier die Koordination der Unterstützungsleistungen.

In Mittelamerika ist die Pressefreiheit einerseits bedroht durch den Druck, den staatliche Akteure auf Medienvertreter*innen ausüben, andererseits ist die organisierte Kriminalität ein Problem. Die DW Akademie unterstützt exilierte Medienschaffende vor allem aus Nicaragua und aus der Region. Sie hilft beispielsweise mit Stipendien, bietet Gelegenheiten zum Austausch und berät in vielen Angelegenheiten, etwa zu Fragen persönlicher Sicherheit.

Gemeinsames Ziel von DW Akademie und den an der Umsetzung beteiligten Partnerorganisationen ist, dass Geflüchtete im Exil weiterarbeiten und die eigene Existenz sichern können. In beiden Projektlinien werden regelmäßig Bedarfsanalysen durchgeführt. Die Ergebnisse beeinflussen, wie künftige Angebote gestaltet werden.

Voices of Ukraine von ECPMF

Das Programm Voices of Ukraine des European Centre for Press and Media Freedom (ECPMF) stand 2025 weiter im Zeichen des Krieges. Es bietet ukrainischen Journalist*innen Hilfen von technischer Ausstattung bis hin zu Versicherungen bei Fronteinsätzen und mit „Women in Media“ ein spezifisches Angebot für Frauen. Auch Auszeiten im Kosovo sind durch Voices of Ukraine möglich.

2025 hat ECPMF nahezu 800 ukrainische Journalist*innen und Medienschaffende und über 100 Medienhäuser unterstützt. Wie sehr der Krieg die Lebensläufe einiger Geförderter geprägt und verändert hat, machte ECPMF mit der Ausstellung „The Only Material“ deutlich. 2025 gastierte sie unter anderem im Berliner Museum für Kommunikation, das in dieser Zeit 13.000 Besucher*innen zählte.

JX Fund: Hilfen für Medien im Exil

2025 reagierte der JX Fund auf die zunehmend prekäre Lage unabhängiger Medien im Exil, die durch die Schließung von USAID-Programmen und durch eine abnehmende Förderung zivilgesellschaftlicher Organisationen entstanden ist. Zugleich stieg die Nachfrage nach Unterstützung, da immer mehr Medienschaffende aufgrund politischer Repression ihre Arbeit im Herkunftsland nicht mehr fortsetzen können. Der JX Fund vergab kurzfristige, flexible Finanzhilfen, vermittelte psychologische und rechtliche Begleitung und entwickelte Projekte, die flexibel auf die verschiedenen Bedarfe von Medien im Exil reagieren.

Ein zentraler Schwerpunkt des JX Funds lag 2025 auf der nachhaltigen Entwicklung exilierter Medien entlang der unterschiedlichen Phasen des Exil – von der Neugründung ihres Mediums über die Sicherung wirtschaftlicher Stabilität bis hin zur langfristigen Innovationsfähigkeit. 2025 wurden Pilotprojekte umgesetzt, die journalistisches Unternehmertum, innovative Geschäftsmodelle und technologische Resilienz fördern. Dazu zählen Entrepreneurship Grants, das Newsroom Pivot Program, ein AI-Resilience-Programm und Tech Innovation Grants. Mit dem „Klebnikov International Media Fellowship“ wurde der Austausch zwischen und internationalen Medien intensiviert: Zwölf exilierte Medien aus Aserbaidschan, Belarus und Russland nahmen an Workshops, Online-Sessions und Präsenzformaten in Berlin teil, um ihre Kompetenzen zu stärken und grenzüberschreitende Kooperationen zu fördern.

Auf der Plattform journalism-in-exile.org kuratierte der JX Fund internationale Veröffentlichungen zum Thema Exiljournalismus. Er veröffentlichte datenbasierte Studien sowie Länderprofile für Exilmedien aus Afghanistan, Myanmar, Nicaragua, Aserbaidschan. Mit eigenen Publikationen zu Schwerpunktthemen wie “How Exiled Media Contribute to International Reporting” oder “How Exiled Media Challenge International Reporting”  beleuchtet er die Relevanz von Exilmedien für das globale Medienökosystem und die internationale Berichterstattung. Ein Positionspapier verdeutlicht, warum Exilmedien ein wichtiger Bestandteil der globalen Sicherheitsarchitektur sind. Der JX Fund trug darüber hinaus auf zahlreichen internationalen Konferenzen dazu bei, das Thema Exiljournalismus im globalen Diskurs über die Zukunft des Journalismus zu verankern.

Gemeinsamer Ausblick

In einer Welt, in der Räume für Wahrheit und Pluralität enger werden, möchten die an der Hannah-Arendt-Initiative Beteiligten auch 2026 ein entscheidender Anker für unabhängigen Journalismus bleiben. Das bedeutet, dass Angebote kontinuierlich an Bedarfe angepasst werden müssen.

Ein Beispiel ist die transnationale Repression. Das Jahr 2025 hat gezeigt: Digitale Überwachung und Verfolgung machen an Landesgrenzen keinen Halt. Auch im Exil muss diesen Themen begegnet werden. Das Ziel bleibt, die digitale und physische Sicherheit der Geförderten langfristig zu gewährleisten.

Angebote, die 2026 weiter stark nachgefragt sein dürften, sind psychosoziale Beratung, Unterstützung bei Visa-Angelegenheiten und im Notfall sowie bei Umsiedlung. Die Partner haben vor, neue Schutzräume für freie Berichterstattung zu schaffen und bestehende auszubauen. Zudem sollen die existierenden sicheren Netzwerke stetig erweitert und Medienunternehmertum gefördert werden.

Die Hannah-Arendt-Initiative ist ein Programm der Bundesregierung zum Schutz von Medienschaffenden aus Krisen- und Konfliktgebieten. Die Projekte der Hannah-Arendt-Initiative werden gefördert vom Auswärtigen Amt und dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.

Der Artikel wurde gemeinschaftlich von der Koordinierungsstelle und den Partnerorganisationen der Hannah-Arendt-Initiative erstellt.