Die Hannah-Arendt-Initiative auf dem Global Media Forum 2024

Schnell, flexibel, koordiniert: Hilfen für bedrohte Medienschaffende 

Auf dem Global Media Forum 2024 der Deutschen Welle in Bonn hat die Hannah-Arendt-Initiative ihre Arbeitsansätze zum Schutz von Medienschaffenden weltweit vorgestellt. Eine Talkrunde lieferte konkrete Einblicke, wie ein Netzwerkpartner und eine lokale Partnerorganisation bedrohte Journalist*innen unterstützen, etwa unter Kriegsbedingungen oder im Exil.  

Johannes Metzler, Moderator des Minitalks auf dem GMF und Leiter des Bereichs „Strategic Initiatives“ der DW Akademie im Gespräch mit Olha Syrotiuk von „Voices of Ukraine“ (ECPMF)

Die extremen Herausforderungen und Gefahren, denen Teilnehmende am Schutzprogramm für ukrainische Journalistinnen und Journalisten ausgesetzt sind, beschrieb Olha Syrotiuk auf dem Global Media Forum (GMF). Sie koordiniert beim European Center for Press and Media Freedom (ECPMF), einem der Partner der Hannah-Arendt-Initiative, das Programm mit dem Titel „Voices of Ukraine“:

In den zwei Jahren und drei Monaten seit Beginn des großen Angriffskriegs hat Russland 599 Verbrechen gegen Journalist*innen und Medien in der Ukraine begangen. Mehr als 200 Medienhäuser wurden geschlossen. Mehr als zehn Journalisten starben bei der Arbeit, und 72 wurden getötet; im Kampf, unter russischem Beschuss oder unter Folter [Anm. d. Red.: Stand 18.06.2024].  

Olha Syrotiuk, Voices of Ukraine (ECPMF)

Und sie betonte: “Selbst wenn die Journalisten nicht in unmittelbarer Nähe der Front arbeiten, sind sie doch in einem Kriegsgebiet aktiv. Wir müssen Journalist*innen unterstützen, die enorm unter Druck stehen, damit unabhängige Medien weiter wichtige Informationen teilen können.“ 

Einer Bedarfsabfrage der ukrainischen Nichtregierungsorganisation „The Institute of Mass Information“ zufolge sagen fast 39 Prozent der ukrainischen Journalist*innen, dass sie technische Ausstattung benötigen, da ihre Laptops und Kameras unter Beschuss von einer auf die andere Minute verloren gehen können. Außerdem benötigten sie Hilfe bei der Energieversorgung. Laut Olha Syrotiuk bestehe auch der Wunsch nach Schulungen und Lernangeboten. Zudem sei finanzielle Hilfe notwendig. “Außerdem gibt es Bedarf an Räumen, Hilfen bei der Verbesserung der Sicherheit und an psychologischer Betreuung“, so die Koordinatorin des Schutzprogramms. 

Um ihre Hilfsangebote flexibel auf die Bedürfnisse der Journalist*innen abzustimmen, arbeitet ECPMF vor Ort eng mit sechs ukrainischen Organisationen zusammen. Olha Syrotiuk: „Unser ‘Voices of Ukraine’-Programm unterstützt mit finanzieller und technischer Nothilfe, mit Versicherungen für Journalist*innen an der Front. Wir haben Residenzen in der Ukraine und im Kosovo, wo Medienschaffende vorübergehend Abstand gewinnen und neue Kraft schöpfen können. Wir bieten Trainingsmöglichkeiten, unterstützen bei Veröffentlichungen und machen spezielle Angebote für Frauen.“ All das diene dazu, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Journalistinnen und Journalisten zu verbessern.

Ein Haus für freien Journalismus in Costa Rica 

Auf der anderen Seite des Globus, in Costa Rica, bereitet der Netzwerkpartner DW Akademie ein neues Projekt vor. Beteiligt daran ist IPLEX, das Instituto de Prensa y Libertad de Expresión, sowie Medienschaffende im Land. Die Idee, eine Anlaufstelle für Exilmedien einzurichten, nimmt aktuell konkrete Formen an.  

Raúl Silesky Jiménez, Präsident und Mitgründer von IPLEX, erklärte den Gästen des GMF:

Die ‘casa para el periodismo libre’ wird im Juli öffnen. Das Haus soll Exiljournalistinnen und -journalisten aus der ganzen Region mit einem Hilfsangebot offenstehen. Derzeit arbeiten 30 nicaraguanische Medienhäuser aus Costa Rica heraus, wo es noch sicher für sie ist. 

Raúl Silesky Jiménez (IPLEX)

Die neue Anlaufstelle soll Hilfsangebote mehrerer Geldgeber bündeln. Silesky: „Wir stehen in engem Austausch mit verschiedenen anderen Organisationen, die Exilmedien unterstützen: mit der UNESCO, der Reuters Foundation, mit Free Press Unlimited, der Universidad de Costa Rica und anderen.“  Die DW Akademie plant, dort juristische und psychologische Beratung sowie Trainings anzubieten, vor allem für Journalistinnen. Das neue Haus für freien Journalismus soll aber auch Exiljournalist*innen die Möglichkeit bieten, dort zu arbeiten und sich mit Kolleginnen oder Kollegen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, zu vernetzen.  

Angebote weiterer Netzwerkpartner der Hannah-Arendt-Initiative 

Die Gesprächsteilnehmer*innen am Minitalk der Hannah-Arendt-Initiative (v.l.n.r.): Raúl Silesky Jiménez (IPLEX), Johannes Metzler (DW Akademie), Beate Weides (Hannah-Arendt-Initiative), Olha Syrotiuk (ECPMF)

Das Bild der Initiative vervollständigte Beate Weides auf dem GMF. Sie managt die Koordinierungsstelle der Hannah-Arendt-Initiative. So gehören ferner die Netzwerkpartner Media in Cooperation and Transition (MiCT) sowie der europäische JX Fund dazu. MiCT bietet ein Stipendienprogramm für bedrohte Journalist*innen an und eröffnete vor Kurzem einen Exile Media Hub in Nairobi. Der JX Fund hilft Exilmedien, ihre Arbeit im deutschen Exil wiederaufzunehmen.  

Was hat die Hannah-Arendt-Initiative bis jetzt erreicht? Beate Weides bilanzierte:

Seit die Initiative im Herbst 2022 gestartet ist, konnte mehr als 5.000 Journalistinnen und Journalisten und fast 60 Medienhäusern geholfen werden.  Die Partner und die beiden deutschen Ministerien tauschen sich regelmäßig über ihre Arbeit und neueste Entwicklungen aus. So können sie schnell reagieren, wenn sich die Sicherheitslage für Medien in einem Land oder einer Region verschlechtert, wie es gerade in Georgien der Fall ist. Der Bedarf ist groß, die Zahl der Länder, in denen Medienfreiheit verloren geht, wächst – und die Bedrohungen sind vielfältig. 

Beate Weides (Hannah-Arendt-Initiative)

(BW)